„WEGE - STATIONEN” 

Kaiserpfalz Paderborn  24.06.2001 - Prof. Ulrich Wagner


Im Wort-Umfeld der beiden Begriffe "Wege", "Stationen" findet sich eine Fülle von Wörtern, die grundlegende menschliche Existenz- und Verhaltensweisen  beschreiben: Zu "WEGE": gehen - schreiten - wandern - reisen - pilgern ...;       und zu "STATIONEN": stehen - verweilen - ausruhen - rasten - verharren .....      Jeder dieser Begriffe bezeichnet eine bestimmte Variante oder Nuancierung des       Grundverhaltens. Gehen und schreiten bezeichnen Ähnliches, aber nicht Gleiches. Das gilt ebenso für Stehen und verweilen, usw. Hinter den beiden Begriffen des Themas stehen ein statisches und ein dynamisches Element, die in den vorgestellten Kunstobjekten in einem Dialog stehen.

Hier erinnere ich an die wiederum so oft zitierten Sätze aus dem ersten Kapitel der CONFESSIONES des HI. Augustinus:
 

Groß bist Du, Herr,

und hoch zu loben; groß ist Deine Kraft

und ohne Maßen Deine Weisheit. Und der Mensch will Dich loben,

dieser geringe Teil Deiner Schöpfung, der Mensch,

der seine Sterblichkeit mit sich trägt, das Zeugnis seiner Sünde

mit sich trägt, das Zeugnis dafür, daß Du den Stolzen widerstehst:

Und dennoch will Dich der Mensch loben, dieser geringe Teil

Deiner Schöpfung. Es ist Dein Antrieb, daß Dich zu loben erquickt,

weil Du uns zu Dir hin erschaffen hast,

und unser Herz kommt nicht zur Ruhe, bis es ruht in Dir. (Conf.1,1).

   
Bisweilen sind Zeichen, Bilder zu erkennen, die uns vertraut sind: ein Fisch, eine Tür, Uhrzeiger, das Andreaskreuz, ein siebenarmiger Leuchter; da und dort ein Schriftzug, der uns die Richtung einer möglichen Deutung des Kunstwerk weist. Das markanteste Schriftzeichen ist auf dem Objekt zu sehen, das... (wo?)... hängt:  das alttestamentliche Tetragramma, der Name "Jahwe". Unter diesem Namen hat sich Gott dem Mose vorgestellt und die Befreiung Israels aus der Sklaverei angekündigt.

Trotz vieler Anspielungen an bekannte Formen und Gegenstände wollen die vorgestellten Objekte viel mehr unser ästhetisches Färb- und Formempfinden und unsere Phantasie anregen. Die Künstlerin möchte ausdrücklich zulassen und die Besucher dazu ermuntern, sich die Objekte mit ihrer eigenen Deutung zu erschließen. Sie sind also eingeladen, mit ihren Augen und ihrer Phantasie die Höhen und Tiefen, die Wege aufwärts und abwärts zu gehen. Die Kunstwerke werden sie dabei sicher nicht im Stich lassen bei Ihrer "Suche nach der Mitte" und bei Ihrem "Gang in die Wüste".
Beide Begriffe: "Wege" und "Stationen" haben gemeinsam, daß sie zunächst ein defizitäres Element enthalten.

Auch die Wüste ist nur Station auf dem Weg; Heimat für immer ist sie nicht. Und unser Weg ist eine Suche nach der Mitte, die dem Menschen seit dem Sündenfall im Paradies abhanden gekommen ist, zu der er seitdem im tiefsten Grund seines Herzens auf dem Weg ist.

zurück